Ökosystem

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Das Ökosystem der Fließgewässer
Fließgewässer sind keine statischen, sondern außerordentlich komplexe und dynamische Systeme, deren Gliederung und Ausprägung überwiegend durch die vielfältigen Wirkungszusammenhänge zwischen Abfluss- und Strömungsgeschehen, Gewässermorphologie und Topographie bestimmt werden. Aufgrund der vielfältigen Wechselwirkungen innerhalb des Gewässers, der Uferbereiche und angrenzenden Biotopen reagieren Fließgewässer in Richtung der Quellbereiche immer sensibler auf anthropogene Einflüsse.

Die naturnahe und unverbaute Flöha.

Wechselwirkung biotischer und abiotischer Umweltfaktoren

Die Strömung

Die Strömungsgeschwindigkeit ist der wichtigste physikalische Faktor eines Fließgewässers. Sie wird bestimmt durch das Gefälle, wobei ein stärkeres Gefälle auch eine schnellere Wasserbewegung nach sich zieht. An dieses mehr oder weniger bewegte Wasser müssen sich alle Lebewesen der Biozönose anpassen. Die Vermehrung der Pflanzen erfolgt bei hoher Fließgeschwindigkeit hauptsächlich auf vegetativem Wege durch losgerissene Sprossteile. Ist die Strömung geringer werden oft Blüten und damit Samen ausgebildet. Als Beispiel hierfür wäre der Flutende Hahnenfuß zu nennen. Ebenso hat sich bei Pflanzen ein widerstandsfähiges Wurzelsystem und Beiwurzeln ausgebildet. Auch das Nekton, die Schwimmer unter den Wassertieren, haben sich an die charakteristische Wasserbewegung angepasst. Sie besitzen meist einen abgeflachten Körper um den Strömungswiderstand des Wassers so gering wie möglich zu halten und so besser schwimmen oder sich festklammern zu können.
Einzellige Algen nutzen einen Effekt, der in einem Bereich von 0,01 mm bis 0,1 mm über Oberflächen entsteht. Durch die Adhäsionskraft des Wassers sinkt die Fließgeschwindigkeit auf nahezu Null, so dass sie kaum besondere Anpassungen benötigen.
Meist existieren in einem lokal begrenzten Fließgewässerabschnitt sehr unterschiedliche Fließgeschwindigkeiten. Man spricht von lotischen, also stark strömenden und lenitischen, langsam fließenden Bereichen. Nach diesem Aspekt kann man auftretende Lebewesen in rheobionte Arten, solche die auf hohe Fließgeschwindigkeiten angewiesen sind, in rheoxene Arten, solche die an geringe Strömung angepasst sind und rheophile Arten, die sowohl in schneller als auch in langsamer fließenden Wasser lebensfähig sind einteilen.

Sauerstoff und Wassertemperatur

Der Sauerstoffgehalt des Wassers ist stark von der Wassertemperatur abhängig. Bei geringerer Temperatur ist das Sauerstoffbindungsvermögen, die Fähigkeit des Wassers Sauerstoff aufzunehmen, größer als bei hohen Temperaturen. Geringe Temperaturen werden durch starken Uferbewuchs sowie eine hohe Fließgeschwindigkeit im Verlauf des Flusses erhalten. Der Sauerstoffgehalt des Wassers muss gleichmäßig hoch bleiben damit das Rhitron, die Lebensgemeinschaft des Baches bzw. das Potamon, die Biozönose des Flusses stabil erhalten bleibt. Größere Schwankungen verursachen dagegen eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Erkrankungen und Parasitenbefall. Der Sauerstoffeintrag erfolgt zum großen Teil durch Diffusion aus der Luft, welche durch starke Strömung, oft gebrochener Wasseroberfläche sowie Verwirblungen verstärkt wird und so eine Vermischung des Luftsauerstoffs mit dem Wasser erreicht wird. Auch durch Photosynthese der Pflanzen wird Sauerstoff in das Wasser eingetragen. Verbraucht wird er bei der bakteriellen aeroben Zersetzung abgestorbener organischer Substanz, die durch höhere Temperaturen und der damit zusammenhängenden schnelleren Reaktionsgeschwindigkeit verstärkt wird. Dieser Verbrauch drückt sich im biochemischen Sauerstoffverbrauch aus, der somit ein Indikator für die Menge des organischen Materials im Gewässer darstellt. Er gibt außerdem Auskunft über die Belastung bzw. den Verschmutzungsgrad des Fließgewässers.

ph-Wert

Der ph-Wert gibt den Säuregrad des Wassers, das Verhältnis von Hydronium- und Hydroxydionen an. Die ph-Wert Skala reicht von eins bis vierzehn, wobei sieben neutral ist. Das Säure-Basen-Verhältnis ist stark von der Photosynthese der Pflanzen abhängig: Am Tag wird von ihnen dem Wasser Kohlendioxid entzogen. In der Nacht hingegen wird Kohlendioxid abgegeben. Dieser bildet mit Wasser eine schwache Säure, das Gewässer wird sauerer.

Nitrat/Nitrit

Ammonium, das ebenso wie Nitrat durch Ausscheidungen, abgestorbene Pflanzenteile und Tierlaichen in die Gewässer gelangt, wird zuerst zu Nitrit und dann zu Nitrat abgebaut. Nitrat ist in angemessenen Mengen ein wichtiger Baustein für die Proteinsynthese, bei zu hoher Konzentration führt es zu vermehrten Algenwachstum und trägt somit zur Eutrophierung bei. Bei Sauerstoffmangel stoppt die Umwandlung bei Nitrit. Dieses verändert die Struktur des Hämoglobins und die Tiere gehen an Atemnot zugrunde (bereits sehr geringe Konzentrationen wirken hoch giftig).

Phospat

Phosphat ist in geringen Mengen ein essentieller Nährstoff für das Wachstum von Pflanzen. Bei höherer Konzentration ist er einer der Hauptverursacher der Eutrophierung.

Strukturiertheit

Längsstruktur

Die Einteilung eines Fließgewässers beruht im wesentlichen auf sich im Verlauf von Quelle bis Mündung ändernder Parameter. So werden in der Fischereibiologie Leitfischarten, also solche Fischarten, die in bestimmten Regionen vorherrschend sind und eine charakteristische Abfolge je nach Flussabschnitt zeigen, zur groben Gliederung herangezogen. Doch ebenso wichtig sind Merkmale, wie Wasserbeschaffenheit, Sohlensubstrat, Strömungsgeschwindigkeit, Gefälle und Sauerstoffgehalt. Danach ergeben sich verschiedene Einteilungsmöglichkeiten je nachdem welche Parameter bevorzugt herangezogen wurden.

Querstruktur

Die Querstruktur beschreibt die auftretenden Strömungs- und Tiefenvarianzen des Flusses, die man beobachten kann, wenn man versucht ihn zu durchqueren. Es können Inseln, Kies- oder Sandbänke auftreten. Diese können sich am Ufer oder auch in der Flussmitte befinden, je nach lokaler Transportkraft des Wassers.

Bewertungsmöglichkeiten

Saprobiensystem

Das Saprobiensystem beruht auf der Tatsache, dass sich die Organismenbesiedelung eines Gewässerabschnittes in Abhängigkeit von der Gewässerbelastung durch abbaubare organische Stoffe verändert. Die Zusammenhänge zwischen Gewässerbelastung und der biologischen Besiedelung wurden bereits um die Jahrhundertwende von KOLKWITZ und MARSSON im Saprobiensystem (sapros=faulig) beschrieben. Je nach Belastungsgrad kommen in Gewässerabschnitten nur bestimmte, den jeweiligen Umweltbedingungen angepasste Organismen vor. Diese Indikatorarten zeigen durch ihr Vorkommen den Verschmutzungsgrad eines Gewässers. Die biologische Gewässeruntersuchung auf der Basis des Saprobiensystems erfasst im wesentlichen die Belastung der Fließgewässer mit abbaubaren organischen Substanzen. Toxische Gewässerbelastungen sowie die Auswirkungen von naturfernen Gewässerausbau lassen sich mit dem Saprobiensystem nicht hinreichend deuten, doch dafür sind mit dieser Methode Aussagen über längerfristige Zustände des Ökosystems möglich, da die charakteristische Artenzusammensetzung längere Zeit braucht um sich einzustellen.

Gewässerstrukturgütekartierung

Hierbei werden zur Bestimmung der Gewässergüte morphologische Merkmale verwendet. Es wird die Vielfalt an Habitaten untersucht. Indizien für ein intaktes Gewässer sind eine große Variabilität der Strömungsverhältnisse sowie der Gewässerbreite und -tiefe. Auch Kiesbänke, Inseln, Todholzansammlungen oder umgestürzte Bäume bereichern ein Fließgewässer. Mit dieser Methode können jedoch nur zeitlich begrenzte Zustände erfasst werden.

Funktion und Aufgabe der Fließgewässer

Mit seinen vielfältigen ökologischen Nischen bildet der Fluss Lebensraum für ein großes Artenspektrum. Bäche und Flüsse be- und entwässern die Landschaft vergleichbar dem Blutgefäßsystem des Menschen. Sie sorgen für Wasserrückhalt, besonders durch Auenbildung und sind so ein natürlicher Hochwasserschutz. Auch die Erholungsfunktion durch die psychische Wirkung des Wasserrauschens ist nicht unerheblich. Flüsse formen durch ihre erodierende Kraft die Landschaft mit ihren mannigfaltigen Biotopen, die sie durchqueren. Sie sind also von herausragender Bedeutung für Landschaft, Tier und Mensch.


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