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Fliegenfischen
02/2002
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Copyright
by: Carl Werner Schmidt - Luchs
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Bis
zur totalen Vernichtung Bei
Goslar, wo die Oker, von einem Trink- wassereservoir
gespeist, aus dem Harz- austritt, bildet
sie ein 25 km langes Teil- stück mit
Kies- und Geröllgrund, glasklar, kühl
und sauerstoffreich - ideale Hoch- zeitsbetten
für Lachs und die vielen weiteren,
wandernden Kieslaicher, in dieser Ausdehnung
und Lage kaum noch zu finden. Aber keiner
der wandernden Kieslaicher gelangt aufwandernd
dort hin, weil 25 Wehre und Querverbauungen
von der Wesermündung bis an den Harzrand
den Wanderweg versperren ! Zehn der Wehre
sind unpassierbar, die Fische schwimmen
gegen eine unüberwindliche Mauer. Acht
weitere Wehre und zehn Sohlabstürze
von mehr als einem Meter Höhe sind
nur bei Hochwasser von gro- ßen, springenden
Fischen zu überwinden. Ebenso schlimm
für die Fische ist der Abstieg: Fünf
Turbinen erwarten sie, um
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darin zerquetscht und verstümmelt wer-
den. Das kann zur totalen Vernichtung der
Art führen. Nach Untersuchungen an
Aalen werden abwärts wandernde Fische
in einer einzigen Kaplan-Turbine im Normallauf
zu 35 %, im Schnelllauf bis zu 90% getötet.
Was überlebt, muss durch die nächste
Turbine - und so weiter bis zum totalen
Exitus. In Kenntnis dieser bedrückenden
Fakten wurde im § 48 des Niedersächsischen
Fischereigesetzes festgeschrieben, dass
beim Neubau von Wehren die Errichtung von
Fischauf- stiegshilfen obligatorisch ist.
Als 1986 an der Oker in Meinersen ein Wehr
neu gebaut wurde, hat man trotzdem auf den
Bau einer solchen Wanderhilfe verzichtet,
obwohl die Samtgemeinde versichert, dass
sie den Fischpassbau in der Oker uneingeschränkt
unterstützt. Grund: Zu teuer! Dasselbe
Gesetz erlaubt nämlich den Bauverzicht,
wenn der Bau "Kosten
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verursachen würde, die in keinem ange-
messenen Verhältnis zum Nutzen stehen".
Also: Kommerz vor Ökologie ! Das ist
bundesweit nicht anders, denn dieser Passus
gegen den obligatorischen Bau von Fischwegen
findet sich in allen Landesfi- schereigesetzen
und macht es den Erbauern und Betreibern
von Wehranlagen leicht, sich aus der gesetzlichen
Verpflichtung zu steh- len. Mehr noch: In
Langlingen und Offensen an der Aller sollen
zwei neue Kleinwasser- kraftwerke errichtet
werden, die Anträge lie- gen bereits
bei der zuständigen Bezirksre- gierung.
Der Irrwitz geht also weiter und das entgegen
der dringenden Forderung des Bun- desumweltamtes,
an den wenigen natur- nahen Fließgewässern
endlich auf die Errich- tung von Wasserkraftanlagen
zu verzichten, weil ihr Nutzen bei weitem
nicht den Scha- den aufwiegt, den sie in
der Umwelt anrich- ten.
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Umdenken
ist gefordert: Ökologie vor Ökonomie Vielen
Menschen ist die lebenswichtige Durchgängigkeit
unserer Fließgewässer offenbar
noch nicht bewusst. Wie kann es sonst sein,
dass den Fischereiberechtigten immer wieder
unterstellt wird, sie verlangten Fischtreppen
nur, um mehr Fische zu fangen , also aus
reinem Eigennutz. Fischökologe Lutz
Meyer von der TU-Braunschweig, durch zahlreiche
wissenschaftliche Untersuchun- gen im Aller-Oker-System
bekannt, zählt auf, welch immense Bedeutung
die durchgängi- gen Fließgewässer
für den gesamten aqua- tischen Bereich
besitzen: "Die Naturschutz- Anstrengungen
an den Gewässern konzen- trieren sich
heute auf die Wieder- herstellung der 'biologischen
Durchgängigkeit' " so der Wissenschaftler,
"und bilden damit eine Grundvoraussetzung
für die Ausbreitung und Wiedereinbürgerung
gebietstypischer Lebensgemeinschaften".
Der
Forscher (und Fliegenfischer) zählt
auf, welche Fische wandern müssen,
um nicht länger eine im Bestand gefährdete
oder gar vom Aussterben bedrohte Art zu
sein. Die Fernwanderer wie Stör, Lachs,
Meerforelle, Schnäpel, Maifisch, Aal,
Fluss- und Meerneunauge, legen dabei zwischen
Meer und Fluss die längsten Strecken
zurück. Dann
sind die Kieslaicher zu nennen, allen voran
die Forelle, gefolgt von Rapfen, Äsche,
Elritze, Nase, Barbe und Quappe - um nur
einige zu nennen. Sie alle wandern innerhalb
des Flusssystems zur Laichzeit flussauf
auf der Suche nach klarem Wasser mit kiesreichen
Flussarealen. Aber
auch die meisten anderen Fische müssen
großräumig wandern, entweder,
um zur Laichzeit geeignete Gewässerpartien
zu finden, nach dem Laichen wieder zu ihren
Jagdgründen zurückzukehren, um
tiefe Winterquartiere aufzusuchen oder bei
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Oker, Aller, Weser Hochwasser Schutz zu
finden. Bei gutem Bestand erfolgen auch
Wanderungen, um neue Lebens- räume
zu erobern oder der Bedrohung durch Räuber
zu entfliehen. "Die Förder- ung
des Fischaufstiegs ", so Diplom-Bio-
loge Meyer, "ist aber darüber
hinaus für alle wandernden Fließgewässergeschöpfe
entscheidend, denn wo Fische wieder ungehindert
wandern können, breitet sich rasch
artenreiches Leben aus". Zur Erläu-
terung zählt er Beispiele auf: Mit
den Fischen wandern u.a. passiv die an ihnen
haftenden Muschellarven oder aktiv die Fischnährtiere
wie Krebse und sogar Flohkrebse, Süßwassergarnelen,
und vorwiegend abwärts gerichtet viele
Insek- tenlarven, um später als Imago
wieder flussauf zu fliegen. Den
Insekten folgt die Wasseramsel; der Fischbrut
und den kleineren Fischen z.B. die Wasserspitz-
maus, Ringelnatter, der Eisvogel, Reiher,
Kormoran und schließlich der Fischotter.
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Öffentlicher
Druck gegen die Sünden wächst Die
Angler waren ein Jahrhundert lang ein- same Rufer nach
Durchgängigkeit, doch nun wachsen ihnen weitere
Stimmen zu. Ganz langsam, so scheint es, erwacht in
unserem Land das Bewusstsein für die Todsünden
der Aussperrung, Verstüm- melung und Vernichtung
von wildlebenden Tieren an unseren Fließgewässern.
Hans- Jürgen Sauer, Naturschutzwart des ASV Braunschweig
erkannte schnell, welche Chancen das wandelnde Bewusstsein
bietet: Zusammen mit vielen Sportfischern im gesamten
Oker-Aller-Weser-System arbeitet er besessen an der
Oker. "Es galt, die obere Oker als kostbare, große,
zu- sammenhängende Forellenregion überall
bewusst werden zu lassen und wieder
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zu beleben".
Es wurden mit Eigenmitteln neuartige Fischaufstiegshilfen
an Sohlab- stürzen eingebaut (FLIEGENFISCHEN berichtete
über den 'Bruderpass', in Nr.2/99,s.S.43), eine
Fischbrut- und Aufzuchtanlage erworben und 1994 das
Programm ,Okerlachs 2000' gestartet. Seither wurden
135.000 Lachseier gekauft, erbrütet, zur Fingerlingsgröße
aufgezogen und in die Oker gesetzt. Die Lachse wuchsen
in Scharen zu Smolts heran. Angler Sauer zieht derweil
durch die Region mit mobilen Plakatständern und
wirbt darauf mit Text und Bild für ein besseres
Schicksal der Okerlachse. In Kassenhallen von Banken
und Sparkas- sen, in Einkaufsstraßen und auf Markt-
plätzen versucht der wackere Mann die Menschen
für den "freien Weg für
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unsere
Fische" zu mobilisieren. "Natürlich blutet
mir das Herz, wenn ich an das Schicksal der Smolts denke:
Sie werden in Turbinen verstümmelt und wer durchkommt,
wird als Rückkehrer in den kommenden Jahren vor
den Wehren stehen, verzweifelt und vergeblich Durchlass
suchend zu seiner Geburtsstätte", so Angler
Sauer, "aber wie beabsichtigt, weckte Oker, Aller,
Weser unser Programm das Interesse der Öffent-
lichkeit". Prominente bis hin zum Landrat kamen,
um beim Lachsbesatz mitzuwirken, die Fa. Okertaler Mineralbrunnen
übernahm die Kosten für den Kauf der gesamten
Lachseier und die Presse berichtete laufend über
den Sinn der Durchgängigkeit. Es ist öffentlicher
Druck entstanden!
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Frischer
Wind weht aus Brüssel Flussver- bauungen sind nicht
nur ein deutsches, sondern ein gesamteuropäisches
Problem. Die Europäische Union (EU) macht des-
halb im zunehmendem Maße von ihrem Recht Gebrauch,
gesamteuropäische Maßnahmen zum Schutz der
wandernden Fische zu ergreifen. In rascher Folge wur-
den dazu folgende tiefgreifenden Beschlüs- se gefasst: 1981:
Übereinkommen zur Erhaltung der europäischen
freilebenden Tiere und wild- lebenden Pflanzen und ihrer
natürlichen Lebensräume 1982:
Übereinkommen zur Erhaltung der wandernden wildlebenden
Tierarten 1985:
Richtlinie zur Umweltverträglichkeits- prüfung
bei bestimmten öffentlichen und privaten Bauten 1992:
Richtlinie zur Erhaltung der natür- lichen Lebensräume
sowie derwildlebenden Tiere und Planzen (Flora-Fauna-Habitat
= FFH-Richtlinie) 2000:
Europäische Wasserrahmen- Richt- linie Diese
Richtlinien verpflichten alle Mitglied- staaten innerhalb
eines Zeitrahmens ihre Hausaufgaben zu machen. Die FFH-Richt-
linie beispielsweise erklärt als Hauptzieldie Förderung
zur Erhaltung der biologischen Vielfalt. Dazu wird die
Wiederherstellung der natürlichen Lebensräume
gefordert, um sie in einzusammenhängendes europä-
isches ökologisches Netz einzubinden (denn Fische
müssen nicht nur Wehre, sondern auch Grenzen überqueren
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können!).Überdies
bestimmt die FFH- Richtlinie Maßnahmen zur Regelung
der Wiederansiedlung bestimmter heimischer Tierarten
zu ergreifen. Die FFH-Richtlinie verpflichtet alle Staaten,
bei der Umset- zung 'die wirtschaftlichen, sozialen
und kulturellen Anforderungen zu berücksich- tigen',
was nur bedeuten kann, dass Ang- ler, zumindest die
ausgebildeten und nach- weislich hegenden, eine dauerhaft
nach- haltige Nutzung an ihren bisher anvertrau- ten
Gewässern betreiben können.
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Die EU -
Wasser-Rahmenrichtlinie bedeutet fürden kenntnisreich
hegenden und nach- haltig nutzenden Angler eine Menge
Unter- stützung, zumal alle mit der Durchgän-
gigkeit der Flüsse befassten Behörden durch
einen vorgegeben Zeitrahmen unter Druck stehen. Die
EU verlangt nachdrück- lich ein zentrales Management
aller Maßnahmen für eine Flussgebietseinheit
und besteht des- halb auf die Einrichtung zentraler
Koordinierungsbüros.
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Das Flußkraftwerk
Meinersen zwischen Münden und Braunschweig. Obwohl
das Kraftwerk erst 1986 erbaut wurde, ist es ökologisch
gesehen finsteres Mittelalter: Es hat keine Fischtreppe,
ist also für aufsteigende Fische unpassierbar.
Absteigenden Fischen geht es nicht besser, sie schwimmen
in die Turbine.
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Das Ende
der Verbauungen Der
aufgekommene 'frische Wind' hat die niedersächsischen
Amtsstuben längst ergriffen. Nach umfangreichen
Untersu- chungen wurden im Niedersächsischen Fließgewässer-Schutzsystem
62 Haupt- gewässer einschl. der Talauen erfasst
und als Vorranggebiete dem Landesraum- ordnungs-Programm
zugeordnet. In den 62 Gebieten wird bereits gearbeitet
mit den Geldern aus dem Niedersächsischen Fließgewässerprogramm,
dem auch EU-Gelder unterstützend zufließen.
Dipl. Biologe Peter Sellheim, zuständig für
die Umsetzung im Niedersächsischen Lan- desamt
für Ökologie (NLÖ), ist optimis- tisch.
"Wir hoffen in den nächsten Jahren sämtliche
Verbauungen für alle wandern- den Lebewesen durchgängig
machen zu können. In zahlreichen kleinen Neben-
gewässern laufen bereits notwendige Bau- maßnahmen."
Die Baumaßnahmen werden vom Niedersächsischen
Landesbetrieb für Wasserwirtschaft und Küstenschutz
(NLWK) geleitet. Hans Stürenburg, zustän-
dig für die Oker, hält die Umbauplanungen
zur Durchgängigkeit für alle Okerwehre in
Händen. "Wie arbeiten intensiv" so Stüren-
burg, und klingt glücklich, "zur Zeit
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kommen
neue Mitarbeiter und weitere werden hoffentlich dazustoßen,
denn die Arbeit wird immer mehr. Unsere zeitrau- bendsten
Probleme sind nicht die baulich- en Maßnahmen,
sondern die schwierigen Rechtsverhandlungen und komplizierten
Planungen." Das bestätigt auch Eckhard Montzka,
Leiter des Ordnungsamtes der eingangs zitierten Samtgemeinde
Meiner- sen: "Sobald die Planungen des NLWK vorliegen,
werden die notwendigen Beschlüsse der zu befassenden
Gremien herbeigeführt". Die
Zukunft gehört den angelnden 'Wasser-Warden' Gemeint
sind Angler, die nach dem Vorbild amerikanischer und
kanadischer Fischereiaufseher (Game Warden) die ihnen
anvertrauten Fließgewässer beauf- sichtigen.
Kein anderer Nutzer ist so oft sommers wie winters am
Wasser wie der Angelfischer. Der bereits zitierte Peter
Sellheim kann sich gut vorstellen, dass zur Unterstützung
der Behörden und Institute die hegenden Angler
in Zukunft nicht nur als Aufseher im herkömmlichen
Sinn, sondern auch als Beobachter der Zustände
an den Fließgewässern, als Mitarbeiter bei
Untersuchungen sowie als Aktivisten bei
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strukturellen
Verbesserungsmaßnahmen mit herangezogen werden,
denn "die damit befassten Dienststellen sind dazu
allesamt personell unterbesetzt und benötigen Hilfe."
Beispiele für die Mitarbeit der Angler gibt es
bereits viele. An der hessischen Lahn wurden Angler
von Fischereifachleuten und Ökologen geschult und
sind jetzt als 'Lachswarte' an den sensiblen Flussober-
läufen unterwegs. Und am bayrischen Regen bei Regensburg
ist es Helmut Woppmann, der angelnde Amtsrat, der die
Oker-Aller-Weser Aktion "Patenschaften für
Fischaufstiegshilfen" ins Leben rief. Seine Paten,
alles Angler, kontrollieren und rei- nigen das ganze
Jahre 'ihren' Fischpass. Zwar hat das Bundesamt für
Naturschutz kürzlich und endlich sein Herz für
die Fische entdeckt und erklärt, dass "Fische
bisher die Stiefkinder des Naturschutzes" seien
und sich das ändern müsse. Doch das Herz für
Fische schlägt bei uns Angelfischern am lautesten.
Wir verstehen uns schon immer als Anwalt der Fische
und hoffen inständig, dass die Versperrungen, Verstümmelungen
und Vertreibungen unserer Fische endlich ein Ende habe
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